Filmkritik: PYAASA (8/10)

7. August 2006

pyaasa-cover.jpgNoch etwas Klassiker-Material für den 100-Filme-Endspurt.
Ich hab die DVD von Sky. Falls ihr die Wahl habt zwischen dieser und irgendeiner anderen Ausgabe, nehmt die andere: bei meiner DVD laufen das letzte Drittel die Untertitel einige Sekunden zu früh – und das nervt gewaltig. Zudem sind Bild- und Tonqualität nicht gerade die beste, selbst für 1957, was den Filmgenuss auch etwas trübt – vielleicht gibt’s da ja auch besseres…

Regisseur: Guru Dutt
Musik: S.D. Burman
Darsteller: Guru Dutt, Waheeda Rehman, Mala Sinha, Rehman, Johnny Walker
Crew: Guru Dutt (producer), V.K. Murthy (cinematography)
Erscheinungsjahr: 1957

STORY
Von seiner College-Liebe Meena (Mala Sinha) verlassen, fristet der Poet Vijay (Guru Dutt) ein unglückliches Leben: Verleger wollen seine tiefgründigen Gedichte nicht drucken, seine Brüder verscherbeln seine Aufzeichnungen als Altpapier. So beginnt Vijay ein Leben auf der Straße – wo er auch die Prostituierte Gulabo (Waheeda Rehman) trifft, die von seinen Gedichten verzaubert ist und sich in Vijay verliebt. Doch als wegen eines Missverständnisses Vijay für Tod erklärt wird, überschlagen sich die Ereignisse…

REVIEW
Inspiriert von Saratchandras Roman „Srikanta“ behandelt Guru Dutt in Pyaasa die Tragödie eines Dichters in einer Welt, die für Poesie nichts übrig hat, sondern von Geld und Konsum regiert wird. Wir sehen also Vijay 146 Minuten gegen die Gesellschaft ankämpfen, mit seinem Schicksal hadern, an der Ignoranz der Menschen verzweifeln und sich schließlich resigniert abwenden. Damit ist klar: pyaasa-guru.jpgleicht und fröhlich ist Pyaasa sicherlich nicht. Durchzogen von Melancholie und Desillusion, bleibt der Film aber trotzdem gut anzusehen, da Guru Dutt seine Geschichte sehr feinfühlig und bewegend erzählt und vor allem einen technisch hervorragend gemachten Film liefert. Die Kamera ist beeindruckend und einige Szenen schlicht genial in ihrer Intensität. Die ersten beiden Drittel des Films haben zwar durchaus ein paar Längen und machen es dem Zuschauer nicht gerade leicht, im letzte Drittel jedoch erschafft Pyaasa einen Sog, der einen nicht mehr loslässt.

Manche Elemente von Pyaasa erinnern ein wenig an Devdas – der Held, dessen große Liebe einen wohlhabenden Mann heiratet, der daraufhin an der Welt verzweifelt, die Prostituierte, die selbstlos den Helden liebt ect (das dachte übrigens auch Dilip Kumar, dem die Rolle angeboten wurde und der sie wegen den Ähnlichkeiten zu seiner Devdas-Figur ablehnte). Aber natürlich ist Pyaasa doch etwas ganz anderes.

Wie für einen Film aus dieser Zeit nicht verwunderlich, ist Pyaasapyaasa-ma.jpg sehr sozialistisch geprägt und die Anklage gegen die reichen Kapitalisten ständig präsent, vor allem natürlich am Schluss. Allerdings fand ich diese Botschaft irgendwie eher unaufdringlich, ich hab in Pyaasa meist nur den Kampf eines Einzelnen gegen seine Probleme mit der Welt gesehen, weniger eine generelle Verurteilung von Reichtum.

Was mich sehr gefreut hat, war, dass Vijay nicht zu den absolut abgehobenen, weltfremden und sich selbst bemitleidenden tragischen Helden gehört, der an nichts als an seine Poesie denkt. Vijay versucht, als er auf der Straße steht, schon auch zu arbeiten und ist sich selbst für Dienerjobs nicht zu schade – auch wenn dies an seiner Situation wenig ändert.

Guru Dutt spielt seinen unverstandenen Poeten mit Hingabe, man sieht in jeder Szene, dass ihm an dieser Rolle sehr viel liegt. Der Film liegt ganz auf seinen Schultern, doch er trägt ihn ohne weiteres perfekt. Waheeda Rehman ist ebenfalls wunderbar, sie schafft es mit Leichtigkeit, ihre etwas klischeebeladene Rolle lebensecht und liebenswert wirken zu lassen. Johnny Walker ist zwar etwas überflüssig, aber ganz pyaasa-waheeda.jpgnett in seiner Comedy-Rolle (diese Stimme!). Mala Sinha und Rehman haben einige tolle Szenen und überzeugen durchaus und auch der Rest der Cast spielt ordentlich.

Ein paar der Szenen und Darstellungen in Pyaasa schießen mir ein wenig übers Ziel hinaus, beispielsweise bin ich mir nicht sicher, ob die Christus-Anspielungen (siehe hier, bei der Nachricht seines Todes und hier, bei seiner „Auferstehung“) wirklich gerechtfertigt sind. Aber ihre Wirkung verfehlen auch diese Szenen nicht – und wir werden schließlich mit deutlich mehr passenden und eindringlichen Szenen entschädigt.

Eine gewisse kleine Zuneigung zu Poesie sollte man schon haben, um Zugang zu diesem Film finden zu können – ich kenn Leute, die können bei jedem Gedicht nur verständnislos den Kopf schütteln und ich bezweifle, dass solchen Menschen dieser Film dann gefallen kann (man muss natürlich aber auch kein großer Gedicht-Liebhaber sein, bin ich ja auch ganz sicher nicht). Nachdem es so viel um Poesie geht, ist es natürlich ein Nachteil, dass wir auf die Untertitel angewiesen sind (und umso schlimmer, dass diese dann auch noch verschoben sein müssen), aber es geht so schon auch.

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10 Antworten zu “Filmkritik: PYAASA (8/10)”

  1. Mirie sagt:

    Danke für die Review! Der Film interessiert mich schon länger, und 8 Punkte klingen ja sehr gut. Nur die 10 Songs und die “Zuneigung zu Poesie”, die man haben sollte, schrecken mich etwas ab…

  2. Maria sagt:

    Die Zuneigung zur Poesie ist nicht so eng zu sehen, wie gesagt bin ich auch kein großer Gedicht-Fan. Man muss für den Film nicht unbedingt von Gedichten beeindruckt sein, bei dieser Warnung gings mir mehr darum, dass man als Zuschauer eben fähig sein muss, mit so einem Poeten mitfühlen zu können und sich in seine Lage hinversetzen zu können. Aber ich kenn eben Leute, die das absolut nicht könnten, weil sie Gedichte generell dämlich finden.

    Die 10 Songs sind allerdings nicht zu unterschätzen *g* Es wird wirklich sehr viel gesungen, und die meisten Lieder sind eben auch tragisch-langsam. Aber dann sind da eben auch noch Jine Naaz Hai Hind und Yeh Mehlon Yeh Takhto, die bei mir seit Samstag Abend in Dauerschleife laufen (passen auch wunderbar zum tristen Wetter draußen)…

    Ich denke, du kannst den Film ruhig kaufen, ist bei nehaflix auch schön billig. Babasko hat letztens gemeint, sie würde auch gern mal was zu Pyaasa schreiben, vielleicht taucht sie demnächst auf und gibt eine weitere Meinung ab…

  3. mirie sagt:

    Okay, dämlich find ich Gedichte nicht - aber ich versteh auch nicht viel davon. Ich denk auch, ich werd mir den Film trotzdem angucken. Ich muss mich doch auch mal ins ganz frühe Bollywoodkino vorwagen, und Marco bewertet den Film ja auch ganz gut. Allerdings wirds wohl noch eine Weile dauern, ehe ich ihn gucke, z.Z. gibts einfach zu viele neue Filme die mich interessieren…

  4. Maria sagt:

    Man muss Gedichte nicht verstehen, es reicht schon wenn man sie nicht hasst *g* Und die Pyaasa-Poesie ist ja auch nichts abgehobenes, kryptisches was man erst nach 5 Begleitlektüren verstehen würde, sondern einfach schöne Sprache.

    Ich hab auch vor, noch unbedingt mehr Filme aus den 50ern zu sehen, da gibts noch so viele Klassiker zu entdecken… aber eben: da kommt man kaum nach…

  5. bollywoodista sagt:

    Ich hatte auch gestern Guru-Dutt-Tag mit “Aar Par” *seufz*. Der Mann sieht ja sogar mit seinem Schnurrbart ganz fesch aus. Pyaasa hab ich noch nicht gesehen, ist aber ganz weit oben auf meiner “Guru-Dutt-Fangirl”-Liste. Meine “Aar Par” DVD hatte außerdem als Special noch eine nette Doku zu Guru Dutt, die hat mich dann natürlich mehr mitgenommen als der Film selber.

    @ mirie: Guru Dutt hat auf jedenfall drauf geachtet, die Songs gut einzuflechten, die kommen ganz plötzlich, kein langes Intro und sind dann auch recht schnell wieder vorbei (da spricht mein neugewonnenes Doku-Wissen).

  6. Maria sagt:

    Ja, fesch ist Guru Dutt wirklich und er hat das gewisse Charisma, das es braucht um mich wirklich zu begeistern. Ich muss zwar erstmal noch Dilip Kumar und Dev Anand kennenlernen, aber dann würd ich schon gern mehr von Guru Dutt sehen…

    Irgendwann gabs doch mal Gerüchte über eine Verfilmung von seinem Leben, oder? Das wär sicher auch sehr interessant… muss mal nachforschen, was da draus geworden ist…

  7. thursday sagt:

    ja, dieses gerücht mit amitabh bachchan (*graus*…. er ist einfach zu alt und zu streng…) kam allerdings von radiosargam und die waren in letzter zeit ja nicht gerade die glaubwürdigste quelle… *g*

  8. Maria sagt:

    Oh. Radioargam. Dann ist ja alles klar…

    Amitabh wär in der Tat DIE Fehlbesetzung schlechthin für die Rolle *g* Allerdings fällt mir spontan auch niemand ein, den ich als Guru Dutt gern sehen würde…hm. Shahrukh könnten wir aber als Dilip Kumar casten, falls der in unserem Film auftaucht…

  9. Filmtipp: Bollywood-Film “Pyaasa” (1957) « www.Sozialgeschnatter.de sagt:

    [...] Mariakäfer: >> Durchzogen von Melancholie und Desillusion, bleibt der Film aber trotzdem gut anzusehen, da Guru Dutt seine Geschichte sehr feinfühlig und bewegend erzählt und vor allem einen technisch hervorragend gemachten Film liefert. Die Kamera ist beeindruckend und einige Szenen schlicht genial in ihrer Intensität. << [...]

  10. ramakrishna sagt:

    its sheer poetry on celluloid,lyrics,music,acting ;everything about the film is unforgettable even after my first watching during 1960 and last watching during1976.
    ramakrishna

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